Die schamanische Initiation und die Berufung zum Schamanen

Berufung zum Schamanen und die Schamanische Initiation

Wie wird man eigentlich zum Schamanen und was ist eine schamanische Initiation?
Dieser Artikel lädt Sie ein, in die Welt des Schamanismus einzutauchen und dessen zentrale Aspekte zu entdecken.

Erfahre, wie sich der Weg eines zukünftigen Schamanen entfaltet – von den ersten Anzeichen einer Berufung über die Initiationsriten bis hin zur Rolle innerhalb der Gemeinschaft. Darüber hinaus erörtern wir die Kontroverse um die sogenannte “Selbstberufung” und das Phänomen der Schamanenkrankheit.

Wir werden uns auf die vier wichtigsten Phasen konzentrieren – die Vorberufung, die Berufung, die Initiation und die Nach-Initiation – und die Rolle, die sie in der Entwicklung eines Schamanen spielen.

Was ist eine schamanische Initiation grundsätzlich?

Eine Initiation in schamanischen Traditionen ist ein tiefgreifender, transformatorischer Prozess und teil einer Berufung, der oft als Übergangsritus oder Übergang in ein neues Stadium des Lebens verstanden wird. Sie markiert den Beginn eines Weges, auf dem das Individuum in die Geheimnisse und Praktiken des Schamanismus eingeweiht wird.

Dabei kann der Initiationsprozess sowohl physische als auch spirituelle Prüfungen beinhalten und dient dazu, das Bewusstsein des Individuums zu erweitern und seine Verbindung zum geistigen Reich zu vertiefen.

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Was bedeutet "Initiation" im Allgemeinen?

Initiation bezieht sich allgemein auf den Prozess oder die Zeremonie, durch die eine Person in eine neue Rolle oder Stufe des Lebens eingeführt wird. Es ist oft ein ritueller Akt, der in verschiedenen Kulturen und Kontexten unterschiedlich ausgeführt wird.

Initiationen können wichtige Lebensübergänge markieren, wie zum Beispiel den Eintritt in die Pubertät, die Aufnahme in eine bestimmte soziale Gruppe oder Gemeinschaft, oder die Erlangung eines bestimmten Grades oder Status. Sie dienen oft dazu, das Individuum auf seine neue Rolle vorzubereiten und ihm die damit verbundenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Verantwortlichkeiten zu vermitteln.

Wie kommt es zu einer schamanischen Initiation?

Zumeist werden Initiationserlebnissen im Zusammenhang mit schamanischen Praktiken, oft durch Krankheiten, pathogene Träume und Ekstasen ausgelöst. Diese Erlebnisse dienen dazu, Menschen in Schamanen zu verwandeln.

Oft sind sie Teil eines traditionellen Initiationsritus, der Leiden, Tod und Wiederauferstehung einschließt. Krankheitsberufungen können als Initiation angesehen werden, da sie Ähnlichkeiten mit den Leiden und Prüfungen in Initiationszeremonien aufweisen.

Diese ekstatischen Erfahrungen weisen typischerweise Themen wie die Zerstückelung des Körpers, die Erneuerung innerer Organe, die Kommunikation mit Göttern oder Geistern, den Abstieg in die Unterwelt und Offenbarungen religiöser und schamanischer Art auf.

Manchmal sind alle diese Themen in den Erfahrungen vorhanden, während in anderen Fällen nur einige von ihnen auftreten. Diese Unterschiede können auf religiöse Ausrichtungen hinweisen, z.B. zwischen “himmlischen” und “unterweltlichen” Initiationen, die auf verschiedene religiöse Vorstellungen zurückzuführen sind.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Themen oft innerhalb derselben Kultur auftreten und dass diese ekstatischen Erfahrungen Teil eines komplexen Systems traditioneller Lehren sind. Der ekstatische Initiations-Typus der älteste und umfassendste zu sein scheint, da er alle genannten mythologisch-rituellen Themen enthält.

Unterschiedliche schamanische Initiationen je nach Kultur

Mircea Eliade, der bekannte Ethnologe und Religionswissenschaftler beschreibt in seinem Buch “Schamanismus und archaische Ekstasetechnik” Initiationen aus verschiedenen Kulturen:

Die Plains-Indianer Nordamerikas: Bei den Plains-Indianern spielt die Visionssuche eine zentrale Rolle in der schamanischen Initiation. Junge Männer verbringen Tage oder Wochen allein in der Wildnis, um eine Vision zu empfangen, die ihre spirituelle Identität und Rolle im Stamm bestimmt.

Melanesien: In Melanesien werden junge Männer während ihrer Initiation häufig beschnitten, was starke Schmerzen verursacht. Dieser Prozess dient dazu, die kindliche Natur abzulegen und spirituelle Erkenntnisse zu gewinnen.

Die Dogon und die Mande in Afrika: In diesen afrikanischen Kulturen umfasst die Initiation Rituale und Zeremonien, bei denen die Kandidaten spirituelle Kräfte und Fähigkeiten erwerben. Die Initiationsriten können lebenslange spirituelle Verpflichtungen beinhalten.

Stämme in Neuguinea: In Neuguinea sind Initiationsriten oft extrem schmerzhaft und gefährlich. Dies kann das Durchstechen der Nasenscheidewand oder das Schlagen mit Dornen beinhalten. Diese Praktiken sollen den Übergang in das Erwachsenenalter und den Status eines Kriegers markieren.

Sibirien: In Sibirien können schamanische Initiationen den Kontakt mit spirituellen Wesen und Geistern beinhalten. Die Initianten erleben Visionen und Trancezustände, die ihre Fähigkeiten als Schamanen entwickeln.

Nordamerika und das Amazonasgebiet: In nordamerikanischen Stämmen, aber auch im Amazonasgebiet, sind Initiationsriten mit Trancezuständen und visionären Erfahrungen verbunden. Die Kandidaten können Kontakt zu spirituellen Kräften und Tieren aufnehmen, die sie in ihrer schamanischen Praxis begleiten.

Australien: Die Aborigines Australiens praktizieren das “Walkabout”, bei dem junge Männer monatelang durch die Wüste wandern, um spirituelles Wissen zu erlangen und sich mit dem Land zu verbinden.

Tibet: Im tibetischen Buddhismus ist die Initiation ein zentraler Bestandteil des religiösen Weges. Hier werden Schüler von einem erfahrenen Lama eingeweiht und erhalten Ermächtigungen, um bestimmte Praktiken auszuführen und spirituelle Erkenntnisse zu gewinnen.

Nordafrika: In Nordafrika können schamanische Initiationen mit spirituellen Reisen in die Anderswelt und dem Erwerb von Heilungsfähigkeiten verbunden sein.

Diese Kulturen zeigen die Vielfalt und Unterschiede in den schamanischen Initiationen auf der ganzen Welt, wobei jeweils einzigartige Rituale und Praktiken den Übergang in das spirituelle oder erwachsene Leben markieren.

Wird man nur durch eine Initiation zu einem Schamanen?

Die Einberufung zum Schamanen kann auf verschiedene Weisen erfolgen. Oft wird die Schamanenrolle innerhalb einer Familie vererbt, während in einigen Kulturen die Übertragung in einer größeren Gemeinschaft geschieht.

Im Schamanismus bedeutet Vererbung manchmal auch, dass die Seele eines verstorbenen Schamanen in einen lebenden übergeht. Dies manifestiert sich oft in Form einer Krankheit, die als sicheres Zeichen der Auserwähltheit des Kandidaten durch die Geister gilt.

In manchen Kulturen werden Initianten aufgrund auffälliger Merkmale oder Erlebnisse ausgewählt, wie ungewöhnliches Aussehen, bestimmte Krankheiten wie Epilepsie, plötzliche Genesung von schweren Krankheiten oder andere ungewöhnliche Symptome und Verhaltensweisen, die auch als “schamanische Initiationskrise” bezeichnet werden.

Die Initiation als Teil der Berufung zu einem Schamanen

Die Berufung zum Schamanen verläuft in mehreren Phasen, die unterschiedlich interpretiert und erlebt werden können:

Vorberufung: In dieser Phase kann die Person Zeichen und Symptome zeigen, die auf eine zukünftige Berufung hinweisen. Diese können ungewöhnliche Träume, Krankheiten oder Verhaltensweisen umfassen.

Berufung: Hier empfängt die Person eine direkte oder indirekte Einladung von den Geistern oder durch die Gemeinschaft, Schamane zu werden. Dies kann durch Träume, Visionen, oder in Form einer Krankheit geschehen, die als Ruf der Geister gedeutet wird.

Initiation: In dieser Phase durchläuft die Person eine Reihe von Prüfungen und Transformationen, die oft als sehr intensiv und herausfordernd erlebt werden. Dies kann die ‘Schamanenkrankheit’ einschließen, bei der der angehende Schamane oft Einsamkeit, Fieber und Visionen erlebt, die seine Transformation symbolisieren.

Nach-Initiation: Nach der Initiation beginnt die Person, ihre Rolle als Schamane in der Gemeinschaft zu erfüllen. Sie nutzt ihr neu erworbenes Wissen und ihre Fähigkeiten, um anderen zu helfen und Probleme in der Gemeinschaft zu lösen.

Jede dieser Phasen ist ein wichtiger Bestandteil des Prozesses und trägt dazu bei, die Person auf ihre Rolle als Schamane vorzubereiten. Es ist wichtig zu beachten, dass dieser Prozess variieren kann und von vielen Faktoren abhängt, einschließlich der spezifischen Kultur und Tradition, in der er stattfindet.

Manchmal erfolgt die Berufung in Träumen oder Visionssuchen, bei denen der Initiant Kontakt zu Geistern aufnimmt und erste Unterweisungen erhält, wie er sich in seiner neuen Rolle verhalten sollte. Es ist ratsam, diesem Ruf aus der Geisterwelt zu folgen, auch wenn dies anfangs nicht im eigenen Interesse liegt.

Es ist vielleicht interessant zu wissen, dass viele Schamanen anfangs widerstrebend auf ihre Berufung reagieren und sich den anfänglichen Anzeichen und Symptomen widersetzen.
In einigen Kulturen wird berichtet, dass diejenigen, die dem Ruf nicht folgen, krank werden, den Verstand verlieren oder sterben. Dies ist auch immer wieder bei uns in westlichen Ländern zu beobachten.

Schamanin bei einer möglichen Selbstinitiation

Kann man sich auch selbst ohne eine Initiation zu einem Schamanen berufen – die Selbstberufung?

Es gibt historisch bereits auch die Möglichkeit der Selbstberufung, wie sie bei den Jivaro-Indianern in Südamerika praktiziert wird, bei der Novizen von etablierten Schamanen Wissen oder Hilfsgeister erwerben.

Auch im Kontext der “New Age-Bewegung” gibt es eine Erweiterung des Konzepts der schamanischen Berufung, die manchmal als “Selbstberufung” bezeichnet wird.

Hierbei geht es oft um individuelle spirituelle Suche und Entwicklung, die nicht unbedingt durch traditionelle kulturelle oder familiäre Kontexte gefördert oder eingeschränkt wird.

Viele Menschen fühlen sich selbst zum Weg des Schamanismus berufen und suchen aktiv nach Wegen, um schamanische Praktiken und Techniken zu lernen, oft durch Workshops, Retreats und andere Formen des Selbststudiums. Sie betrachten den Schamanismus als universellen und zugänglichen spirituellen Weg, der allen offensteht, die sich dazu hingezogen fühlen.

Diese Art der Selbsternennung wird oft kritisiert aufgrund der potenziellen Gefahr der kulturellen Aneignung und der Vernachlässigung der kulturellen Kontexte und Komplexitäten, die traditionell mit dem Schamanismus verbunden sind.

Es ist häufig zu beobachten, dass Menschen, die schamanisch tätig sind, nach eigenen Erlebnissen suchen, in denen sie eine Art Berufung durch die Geister erkennen und dies auch so erklären.

Diese Webseite betrachtet den Begriff “Schamane” als etwas, das von Geistern oder einer Gemeinschaft verliehen wird. Sie würde sich niemals anmaßen, jemandem diese Bezeichnung abzusprechen.

Die Schamanenkrankheit und Nahtoderfahrungen

Eine Komponente der schamanischen Initiation wird auch als die Schamanenkrankheit bezeichnet, die oft zu einer nahtod ähnlichen Erfahrung führt.

Der Akt des Sterbens spielt im Schamanismus eine bedeutende Rolle und dient als Quelle schamanischer Kraft. Die Schamanenkrankheit bezeichnet manchmal die erste Phase der Initiationsphase und beinhaltet die Trennung von alten Gewohnheiten und die Absonderung von der Gemeinschaft.

Während dieser Phase der Trennung und Einsamkeit entwickeln die Initianden oft Fieber und Visionen. Diese Einsamkeit ermöglicht eine Neudefinition des Selbst und eröffnet den Weg zu den ersten Visionen.

Oft beinhalten diese Visionen die Zerstückelung des eigenen Körpers, was symbolisiert, dass die alte Identität abgelegt wird und eine umfassende Veränderung stattfindet. Dieses Motiv der Zerstückelung ist in vielen Kulturen zu finden und steht für den Übergang von Unwissenheit zu Wissen.

Die Initiation ermöglicht dem Schamanen eine Wiedergeburt und verleiht ihm die Fähigkeiten und das Wissen, um anderen zu helfen. Dieser Prozess ist eng mit der Gemeinschaft verbunden, da das Wohlergehen der Gruppe oft von der Macht und den Fertigkeiten des Schamanen abhängt.

Der Schamane nutzt seine Erfahrungen zur Heilung von Krankheiten und zur Lösung von Problemen in der Gemeinschaft.

Schamane bei einer Zeremonie in seiner Gemeinschaft

Welche Bedeutung hat die Berufung und die schamanischen Initiation für den Schamanen und seine Gemeinschaft?

Die schamanische Initiation hat eine tiefgreifende Bedeutung in vielen Kulturen weltweit. Sie markiert den Übergang von einer gewöhnlichen Existenz zu einer spirituellen und heilenden Rolle innerhalb der Gemeinschaft.

Durch diesen Prozess wird der Schamane in die Mysterien und Geheimnisse der spirituellen Welt eingeweiht, erhält Fähigkeiten zur Kommunikation mit den Geistern und erlernt Techniken zur Heilung und Problemlösung.

Darüber hinaus symbolisiert die Initiation die Wiedergeburt des Schamanen, was einen tiefgreifenden Wandel in der Identität und Lebensaufgabe des Individuums darstellt. Dieser Übergang wird oft durch visionäre Erfahrungen, Prüfungen und Herausforderungen gekennzeichnet, die dazu dienen, die Ausdauer, Weisheit und Stärke des Schamanen zu prüfen und zu stärken.

Daher ist die schamanische Initiation nicht nur ein persönlicher, sondern auch ein sozialer Prozess, der die Rolle und Verantwortung des Schamanen innerhalb seiner Gemeinschaft definiert.